Künstler oder Gewerbetreibender: Die Differenzierung in kreativen Berufen
Die Unterscheidung zwischen Künstlern und Gewerbetreibenden hat nicht nur kreative, sondern auch rechtliche Folgen. Die Einordnung als Künstler ermöglicht den Zugang zu Vorteilen wie der Künstlersozialkasse, während Gewerbetreibende anderen rechtlichen Anforderungen unterliegen. Doch wer gilt überhaupt als Künstler? Dieser Artikel beleuchtet die Kriterien, nach denen Institutionen wie die Künstlersozialkasse oder das Finanzamt Künstler definieren und welche Konsequenzen diese Einstufung hat.
Künstlerstatus und rechtliche Auswirkungen
Wer Künstler ist, betreibt im rechtlichen Sinne kein Gewerbe, sondern ist Freiberufler. Ein Freiberufler muss kein Gewerbe anmelden, muss keine Gewerbesteuer zahlen und wird auch nicht IHK-Mitglied. Ein Künstler kann außerdem die Vorteile der Künstlersozialkasse in Anspruch nehmen. Die Frage ist nur: Wer gilt als Künstler? Insbesondere bei Grafik-, Mode-, Schmuck-, Textil- oder Fotodesignern ist die Abgrenzung zum Gewerbe nicht immer eindeutig.
Einfluss der Institutionen auf die Einstufung als Künstler
Die Einordnung kann – je nach Sicht der verschiedenen beteiligten Institutionen – unterschiedlich ausfallen. So können Sie bei der Künstlersozialkasse als Künstler gelten, während Sie vom Finanzamt als Gewerbetreibender geführt werden. Rechtlich gesehen ist das kein Widerspruch, denn jede Institution kann die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für ihren Bereich selbstständig regeln.
Unter den Künstlerbegriff der Künstlersozialkasse gehört zunächst die „klassische“ freie Kunst der Bildhauer, Maler, Komponisten usw. Aber auch die meisten freiberuflichen Designer (z.B. Grafik-, Mode-, Schmuck-, Textil- und Fotodesigner) können von der Künstlersozialkasse als Künstler eingestuft werden.
Die steuerliche Perspektive: Kunst oder Gewerbe?
Selbst bei Mitgliedern der Künstlersozialkasse beurteilt das Finanzamt eigenständig, ob Kunstwerke geschaffen werden, deren gestalterisches Niveau über einen reinen Gebrauchswert hinausgeht. „Kunst“ muss Ausdruck eigener Kreativität und individueller Anschauungsweisen sein und damit mehr als das Ergebnis handwerklicher Fähigkeiten. Bei in Serie produzierten Werken wird angenommen, dass es an der nötigen Individualität fehlt. Kunsthandwerk wird nur insoweit als Kunst angesehen, als es über die handwerkliche Technik hinaus eine außergewöhnliche gestalterische Leistung enthält und von anderen Personen als Kunst wahrgenommen wird. Ist durch den Zweck des Produkts eine Gestaltung vorgegeben („form follows function“) und somit wenig Raum für eine abstrakte gestalterische Aussage des „Künstlers“, wird das Finanzamt eher von einem Gewerbe ausgehen. Auch wer sich bei der Gestaltung lediglich nach der neuesten Mode richtet oder auf bekannte Vorbilder zurückgreift, ist nach Auffassung der Finanzämter nicht künstlerisch tätig.
Nachweise für die Einordnung als Künstler
Um ein Finanzamt zur Einordnung als Künstler zu bewegen, kann der Nachweis einer künstlerischen Ausbildung helfen. Ebenso können Presseberichte, Kritiken in Kunstzeitschriften, Ausstellungsdokumentationen und die Mitgliedschaft in künstlerischen Berufsverbänden von Bedeutung sein. In Streitfällen können Sachverständige hinzugezogen werden.
Die Künstlersozialkasse - Vorteile und Voraussetzungen
Über die Künstlersozialkasse (KSK) können sich Künstler und Publizisten kostengünstig in den gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenkassen versichern lassen. Mitglieder der KSK zahlen ihre Versicherungsbeiträge direkt an die KSK, wobei deren Beiträge deutlich unter den regulären Tarifen liegen, die man ohne KSK-Mitgliedschaft in der gesetzlichen Versicherung zu zahlen hätte. Die KSK stockt die gezahlten Beiträge um einen mit dem Arbeitgeberbeitrag vergleichbaren Teil auf und leitet die Summe an die zuständigen Versicherungsträger weiter. Auf diese Weise können sich auch Künstler mit geringem Einkommen kostengünstig versichern, ohne Abstriche bei den Versicherungsleistungen zu erleiden.
Versicherungspflicht und Beitragsberechnung in der KSK
Versicherungspflicht in der KSK besteht für alle Künstler, die sich auf Dauer selbstständig zu Erwerbszwecken künstlerisch betätigen. Mindestens 3.900 Euro im Jahr muss das Einkommen betragen, damit die KSK den Versicherungsschutz ermöglicht. In den ersten drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme der künstlerischen Tätigkeit gibt es den Versicherungsschutz auch bei geringerem Einkommen.
Den Beitragsbescheid erhält man von der KSK. Mitglieder der KSK sind in der Wahl der Krankenversicherung frei. Die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht ist in gleicher Weise wie bei Arbeitnehmern möglich.
Regelungen bei Nebentätigkeiten und Sonderfällen
Die Höhe der Beiträge hängt wie bei Arbeitnehmern von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom (voraussichtlichen) Jahreseinkommen. Dieses wird jährlich von dem Versicherten im Voraus geschätzt. Dabei kommt es auf den Gewinn an, der aus der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit voraussichtlich erzielten wird.
Wird die künstlerische Tätigkeit neben einer hauptberuflichen Beschäftigung ausgeübt, so gilt, dass in der Kranken- und Pflegeversicherung keine Versicherungspflicht über die KSK besteht, wenn aufgrund der Hauptbeschäftigung schon Versicherungspflicht besteht. In der Rentenversicherung besteht in der Regel Versicherungspflicht, solange das Einkommen aus der Hauptbeschäftigung unter 50% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt. Beamte und andere von der Versicherungspflicht befreite Personen werden prinzipiell nicht über die KSK versichert, auch wenn sie künstlerisch tätig sind.
Fallbeispiel: Ringherstellerin Maxie Mustermann
Maxie Mustermann stellt Ringe aus Holz und Metall her. Jeder Ring ist dabei wegen der unterschiedlichen Maserung der verwendeten Hölzer ein Unikat. Auch die Metallringe fallen von Mal zu Mal unterschiedlich aus.
Maxie Mustermann begreift sich selbst als Künstlerin. Möglicherweise hat auch die Künstlersozialkasse sie bereits als Künstlerin eingestuft, so dass sie von den Vorteilen der Künstlersozialversicherung profitiert. Das Finanzamt wird sie wahrscheinlich als Gewerbetreibende einstufen und ggf. Gewerbesteuer erheben. Denn auch wenn jeder Ring an sich Ergebnis eines gestalterischen Prozesses und einzigartig ist, lässt ein Ring – als verbreiteter Gebrauchsgegenstand, dessen Form und Größe weitgehend vom Zweck bestimmt wird – nicht ausreichend Gestaltungsspielraum für die Annahme einer freien künstlerischen Betätigung, wie das Finanzamt sie versteht. Zudem dürfte die Produktion einer größeren Anzahl von Ringen die Grenze zur „Serienproduktion“ im Sinne des Steuerrechts überschreiten. Das Finanzamt dürfte hier also von einem Gewerbe ausgehen.
Wenn Maxie großen Erfolg hat und hohe Stückzahlen herstellt, so dass die Individualität der Ringe verblasst, könnte auch die Künstlersozialversicherung ihren Status als Künstlerin in Frage stellen.