Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung
Das Widerrufsrecht spielt eine entscheidene Rolle, um Verbraucher zu schützen. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte des Widerrufsrechts und der Widerrufsbelehrung, von den gesetzlichen Fristen über die richtigen Formulierungen bis hin zu Sonderfällen und Ausschlüssen. Erfahren Sie, worauf Verkäufer achten sollten, um rechtliche Stolperfallen zu vermeiden und welche Rechte Verbrauchern gesetzlich zustehen.
Unterschiede im Widerrufsrecht: Online-Shop versus Ladengeschäft
Einer der zentralen Unterschiede zwischen dem Einkauf im Ladengeschäft und dem im Online-Shop liegt im Verbraucher-Widerrufsrecht: Wenn ein Verbraucher etwas online bestellt, darf er die Ware anschauen, testen und bei Nichtgefallen den Kaufvertrag widerrufen. Verbraucher ist nach § 13 BGB jede „natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“.
Zwar gibt es auch Ladengeschäfte, die Waren bei Nichtgefallen zurücknehmen; dann aber handelt es sich um Kulanz. Bei Online-Shops hingegen hat der Verbraucher einen weitreichenden gesetzlichen Anspruch auf Rückabwicklung (§§ 312g, 355, 346 BGB).
Beginn und Dauer der Widerrufsfrist
Wenn dem Käufer ein Widerrufsrecht zusteht, kann er sich innerhalb der Widerrufsfrist vom abgeschlossenen Vertrag wieder lösen. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Der Verkäufer darf diese Frist aus Kulanz zwar verlängern, aber nicht verkürzen.
Beim Warenkauf beginnt die Widerrufsfrist, sobald der Käufer die Ware und alle gesetzlichen Pflichtinformationen (darunter die Widerrufsbelehrung) des Verkäufers vollständig und fehlerfrei erhalten hat.
Auswirkungen fehlender Informationen auf die Widerrufsfrist
Das bedeutet, dass die Frist gar nicht erst zu laufen beginnt, wenn die Widerrufsbelehrung oder andere wesentliche Informationen (siehe Informationspflichten und AGB) fehlen oder mangelhaft sind. In einem solchen Fall könnte ein Verbraucher bis zu einem Jahr nach dem Kauf den Widerruf erklären. Auch deshalb ist es für den Verkäufer wichtig, alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Sonderproblem: Der hilfsbereite Nachbar
Die Widerrufsfrist beginnt erst, wenn der Käufer persönlich die Ware erhalten hat. Gibt der Postbote das Paket also bei einem Nachbarn ab, beginnt die Widerrufsfrist so lange noch nicht zu laufen, bis der Nachbar dem Käufer das Paket weitergegeben hat. Der Verkäufer bleibt in solchen Fällen im Ungewissen, wann die Widerrufsfrist beginnt und endet. Dieses Problem lässt sich auch nicht durch etwaige AGB-Klauseln vermeiden.
Ausübung des Widerrufsrechts
Den Widerruf kann der Käufer in jeder denkbaren Form erklären, z.B. per E-Mail, Fax, Brief oder auch telefonisch. Der Käufer muss dabei keinen Grund nennen. Zur Fristwahrung genügt die Absendung des Widerrufs innerhalb der Frist, auch wenn der Widerruf erst nach Fristablauf beim Verkäufer eingeht.
Muster-Widerrufsformular
Um dem Käufer die Formulierung des Widerrufs zu erleichtern, wurde im Juni 2014 ein gesetzliches „Muster-Widerrufsformular“ eingeführt, das der Verkäufer dem Käufer zusammen mit der Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen muss. Der Käufer kann, muss dieses Formular aber nicht verwenden.
Widerruf nach Benutzung der Ware
Ein Käufer darf auch solche Waren zurückgeben, die er zum Testen geöffnet und benutzt hat. So dürfen z.B. Textilien und Schuhe anprobiert und getragen werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Käufer die Ware intensiver benutzt hat, als es zum Testen erforderlich gewesen wäre. In einem solchen Fall darf der Verkäufer aber einen Teil des Kaufpreises von der Erstattung zurückbehalten. Wenn z.B. Kleidung eine ganze Woche getragen und dabei verschmutzt wurde, könnte der Verkäufer Reinigungskosten geltend machen.
Digitale Inhalte
Auch für Digitale Inhalte (z.B. eBooks, Anleitungen als PDFs, Musik, Filme) gilt das Widerrufsrecht, allerdings mit Abweichungen vom Warenversand. So kann der Verkäufer den Kaufvorgang so ausgestalten, dass das Widerrufsrecht erlischt, sobald der Käufer den Digitalen Inhalt per E-Mail oder Download erhalten hat.
Die richtige Widerrufsbelehrung
Über die gesetzlichen Voraussetzungen und Folgen des Widerrufsrechts müssen Sie die Besucher Ihres Online-Shops informieren. Diese Information heißt Widerrufsbelehrung. Der richtige Wortlaut der Widerrufsbelehrung hängt von diversen Faktoren ab, unter anderem vom Inhalt der AGB des Verkäufers. Aus dem Gesetz ergibt sich deshalb auch keine fertige „Standard-Widerrufsbelehrung“. Es handelt sich vielmehr um ein Baukastensystem, aus dem diverse Fassungen hervorgehen können.
Die Komplexität der Widerrufsbelehrung: Warum Muster fehlerhaft sein können
Für Laien ist die gesetzliche Vorgabe nur schwer verständlich und kaum fehlerfrei in die Praxis umzusetzen. Wer hier unsicher ist und eine abmahnsichere Widerrufsbelehrung einsetzen möchte, sollte sich anwaltlich beraten lassen. Ein allgemeingültiges Muster können wir an dieser Stelle leider nicht zur Verfügung stellen, denn die zu verwendenden Formulierungen in der Widerrufsbelehrung sind unter anderem abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Online-Shops, von den angebotenen Produktarten, von Individualisierungsmöglichkeiten und teilweise sogar von der Art der Verpackung.Tipp: Unsere Rechtstexte-Pakete enthalten AGB, Widerrufsbelehrung, Widerrufsformular und Datenschutzbestimmungen, die perfekt aufeinander abgestimmt sind. Alle Texte sind anwaltlich erstellt und werden regelmäßig aktualisiert. Sie geben alle Einzelheiten zu Ihrem Geschäft in den AGB Generator ein und erhalten von uns alle gesetzlich vorgeschriebenen Rechtstexte aus einem Guss für nur 8,25 € / Monat. Hier geht's zu den Rechtstexten für Onlineshops. Alle weiteren Rechtstexte-Pakete findnen Sie auf onwalt.de
.Ausschluss des Widerrufsrechts
In manchen Fällen ist das Widerrufsrecht gesetzlich ausgeschlossen. Der praktisch häufigste Fall ist der Ausschluss für Artikel, die auf Kundenwunsch individuell gefertigt werden (§ 312g Abs. 2 Ziff. 1 BGB ) und die der Verkäufer daher im Widerrufsfall keinem anderen Käufer mehr anbieten könnte, z.B. Visitenkarten oder persönlich gestaltete Einladungskarten mit den Namen der Gastgeber, Taufkerzen mit Namen und Datum, Schmuck mit einem nach Kundenwunsch eingravierten Text oder ein Ölbild nach einem Portraitfoto des Kunden.
Kein Ausschluss des Widerrufsrecht bei standardisierter Ware
Nicht ausgeschlossen ist der Widerruf aber bei solchen Artikeln, für die der Verkäufer durchaus noch andere Interessenten finden würde, z.B. Bekleidung in einer gängigen Kleidergröße, auch wenn der Käufer eine bestimmte Größe ausgewählt hatte. Ob im rechtlichen Sinne eine Individualisierung vorliegt, die das Widerrufsrecht ausschließt, ist nicht immer einfach zu beurteilen. Die Grenzen können fließend sein. Weitere Fälle, in denen das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, nennt § 312g BGB.
Rückabwicklung im Widerrufsfall
Übt der Käufer sein Widerrufsrecht aus, wird der Vertrag rückabgewickelt (§ 346 BGB). Dazu muss der Käufer die Ware an den Verkäufer zurückschicken, und zwar innerhalb von 14 Tagen ab Erklärung des Widerrufs. Sobald die Widerrufserklärung beim Verkäufer eingegangen ist, hat der Verkäufer 14 Tage Zeit, dem Käufer den Kaufpreis zurückzuzahlen. Der Verkäufer kann seine Zahlung aber solange zurückbehalten, bis die Ware wieder bei ihm eingegangen ist oder der Käufer nachgewiesen hat, sie abgesandt zu haben.
Erstattung der Versandkosten beim Widerruf
Zum zurückzuzahlenden Kaufpreis gehören auch die Versandkosten, die der Käufer ursprünglich dem Verkäufer gezahlt hat. Diese „Hinsendekosten“ sind also Teil der Erstattungspflicht des Verkäufers. Ausgenommen von der Erstattungspflicht sind aber Kostenanteile, die erst aufgrund eines besonderen Versandwunsches des Kunden entstanden sind. Hat der Kunde z.B. ausdrücklich um eine Expresslieferung gebeten, die Zuschlag kostete, muss der Verkäufer diesen Expresszuschlag nicht erstatten.
Rücksendekosten
Die Kosten, die dem Käufer dadurch entstehen, dass er die Ware an den Verkäufer zurückschickt (Rücksendekosten), trägt der Käufer in der Regel selbst. Vor der Verbraucherrechtsreform vom Juni 2014 musste meist der Verkäufer die Rücksendekosten erstatten. Heute kann der Verkäufer diese Kostenübernahme durch eine entsprechende AGB-Klausel freiwillig anbieten – was einige größere Versandhäuser auch tun.
Sonderfall Speditionsware
Wenn die Rücksendung nicht auf normalem Postweg möglich ist, z.B. bei Möbeln, gilt eine Sonderregelung für die Rücksendekosten. In solchen Fällen muss der Käufer die Rücksendekosten (meist Speditionskosten) nur dann tragen, wenn der Verkäufer dem Käufer bereits vor Kaufvertragsschluss die Höhe der Rücksendekosten mitgeteilt hat. Das ist im Online-Geschäft aber kaum möglich, denn häufig hängen Speditionskosten von der Entfernung und der Etage im Haus des Käufers ab, und vor Vertragsschluss kennt der Verkäufer diese Daten meist noch nicht.
Sofern der Verkäufer nicht auf ein Shopsystem zurückgreifen kann, dass die Rücksendekosten im Vorfeld automatisiert berechnet, z.B. anhand der Postleitzahl und der Etage im Haus der Käufers, muss der Verkäufer die Kosten des Rücktransports also selbst tragen. Vor diesem Hintergrund bedeuten Speditionslieferungen für Verkäufer eine hohe Kostenbelastung, wenn der Käufer sein Widerrufsrecht ausübt.
Beispiele
Fall 1: Maxie Mustermann hat eine Tasche zum Preis von 65 Euro zzgl. 4 Euro Versandkosten an Gunda Gründlich verkauft. Beim Auspacken ist Gunda enttäuscht. Sie hatte sich die Tasche anders vorgestellt. Daher teilt sie in einer E-Mail an Maxie mit, dass sie ihren Kauf widerruft. Gunda packt die Tasche zurück in den Versandkarton und schickt diesen als Postpaket für 5,90 Euro zurück an Maxie. Wenige Tage später hat Maxie die Tasche wieder in den Händen. Jetzt überweist sie 69 Euro an Gunda (65 Euro Kaufpreis + 4 Euro Versand). Die 5,90 Euro Rücksendeporto muss Maxie nicht erstatten.
Fall 2: Gleiches Szenario, diesmal aber erhält Maxie die Tasche erheblich verschmutzt zurück. Die Tasche riecht nach Rauch und zeigt Rotweinflecken, die sich nur in einer professionellen Reinigung entfernen lassen, wofür Maxie 15 Euro bezahlt. Der Käuferin erstattet Maxie jetzt 54 Euro (65 Euro + 4 Euro Versand - 15 Euro Reinigung).