Buchpreisbindung und Umsatzsteuer für digitale Inhalte: Ein umfassender Leitfaden für Onlinehändler
Stand: 02. 7. 2025
E-Books, Nähanleitungen, Schnittmuster: Wer digitale Inhalte verkauft, muss nicht nur die allgemeinen Regeln des Onlinehandels beachten. Zwei besondere rechtliche Stolperfallen lauern hier: die Buchpreisbindung und der richtige Umsatzsteuersatz. In diesem Artikel erfährst du, wann dein Produkt überhaupt als "Buch" gilt, welche Vorgaben dann greifen und worauf du bei der Preisgestaltung achten musst.
Gilt fĂĽr mein digitales Produkt die Buchpreisbindung?
Worum geht's bei der Buchpreisbindung?
Die Buchpreisbindung ist im Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) geregelt. Sie stellt sicher, dass alle Leser ein Buch zum gleichen Preis bekommen – egal ob online oder im Laden um die Ecke. Sie betrifft nicht nur gedruckte Werke, sondern auch sogenannte "elektronische Bücher", wenn sie dauerhaft gespeichert und genutzt werden können. Ziel des Gesetzes ist es, den Preiswettbewerb zu begrenzen und das Kulturgut Buch zu schützen.
Welche digitalen Produkte gelten als "Buch"?
Die Buchpreisbindung gilt auch für digitale Produkte, wenn sie als "dauerhaft speicherbare elektronische Bücher" eingestuft werden können. Laut BuchPrG können auch Produkte wie Noten oder kartografische Werke unter die Preisbindung fallen, sofern sie als verlagstypisch gelten.
Ob ein digitales Produkt im Einzelfall als Buch gilt, hängt von verschiedenen Kriterien ab:
- Inhalt: Textlastiger Inhalt mit strukturiertem Aufbau (z. B. Fließtext, Kapitel, Einleitung, Schluss).
- Aufmachung: Titelseite, Inhaltsverzeichnis, ggf. Verlagshinweise oder Paratexte.
- ISBN vorhanden: Eine Internationale Standardbuchnummer ist ein starkes Indiz dafĂĽr, dass das Produkt als Buch gilt.
- Listung im Verzeichnis lieferbarer BĂĽcher (VLB): Produkte, die im VLB gelistet sind, gelten in der Regel als buchpreisgebunden.
- Vertriebsweg: Der Verkauf erfolgt über typische eBook-Plattformen (z. B. Amazon Kindle, Tolino).
- Dauerhaftes Nutzungsrecht: Der Inhalt kann heruntergeladen und auf einem Endgerät gespeichert werden. Eine rein temporäre Online-Nutzung (z. B. nur Online-Ansicht ohne Download-Möglichkeit) genügt in der Regel nicht, um von einem "elektronischen Buch" im Sinne des BuchPrG auszugehen.
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Buchpreisbindung oder nicht?
Dein digitales Produkt, das beispielsweise hauptsächlich aus technischen Anleitungen oder einzelnen Schnittmustern besteht und keinen klassischen Buchaufbau aufweist, fällt in der Regel nicht unter die Buchpreisbindung – selbst wenn es im ePub- oder PDF-Format angeboten wird.
Anders kann es sein, wenn mehrere Anleitungen oder Muster in einem Gesamtwerk zusammengefasst werden, das deutlich mehr Buchcharakter aufweist. Auch wenn ein Produkt als "E-Book" bezeichnet wird, heiĂźt das nicht automatisch, dass es rechtlich als Buch gilt. Umgekehrt solltest du Produkte, die nicht als Buch einzuordnen sind, auch nicht unter der Bezeichnung "E-Book" vertreiben.
Gilt die Buchpreisbindung auch im Selbstverlag?
Ja. Auch wenn du als Autor oder Anbieter im Selbstverlag verkaufst, bist du laut BuchPrG als Verleger anzusehen und musst einen verbindlichen Ladenpreis festlegen. Die Eintragung im VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher) macht diesen Preis transparent. Die Preisbindung gilt ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung und kann nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden (z. B. nach 18 Monaten gemäß § 8 BuchPrG).
Was bedeutet das fĂĽr die Preisgestaltung?
Ist dein digitales Produkt ein Buch im Sinne des Gesetzes, musst du gegenüber Endkunden einen festen Preis einhalten. Preisnachlässe, Gutscheine, Sonderaktionen oder Bundle-Rabatte sind in der Regel unzulässig.
Ausnahmen gelten nur in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen, z. B. für Bibliotheken, Schulen oder wissenschaftliche Einrichtungen (§ 7 BuchPrG). Auch das Verschenken von Büchern kann zulässig sein, solange kein Verkauf stattfindet (§ 3 BuchPrG).
2. Welcher Umsatzsteuersatz gilt fĂĽr digitale Inhalte?
Ermäßigter Umsatzsteuersatz für E-Books
Wichtig: Der ermäßigte Steuersatz ist verpflichtend anzuwenden, wenn dein digitales Produkt die Voraussetzungen der Anlage 2 zum UStG erfüllt. Es handelt sich nicht um ein Wahlrecht, sondern um eine gesetzlich bindende Vorgabe.
Seit dem 18. Dezember 2019 gilt laut § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG der ermäßigte Steuersatz von 7 % auch für bestimmte digitale Inhalte. Grundlage ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die eine steuerliche Gleichbehandlung von Print- und digitalen Medien vorsieht.
Voraussetzung: Es muss sich um ein Produkt handeln, das unter die in Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 UStG genannten Kategorien fällt:
- 49a: Bücher, Broschüren, ähnliche Drucke (auch in elektronischer Form)
- 49b: Zeitungen, Zeitschriften
- 49c: Kinder-BilderbĂĽcher, MalbĂĽcher
- 49d: Noten
- 49e: Kartografische Werke
- 50: Tonträger mit ausschließlich Buchlesungen
Gilt die ermäßigte Umsatzsteuer auch für Schnittmuster & Co.?
Ja, teilweise. Der Wortlaut der Anlage 2 ist weit gefasst. Auch Erzeugnisse des grafischen Gewerbes in elektronischer Form, wie etwa digitale Malvorlagen oder einfache Schnittmuster, können unter den ermäßigten Steuersatz fallen – selbst wenn sie nicht unter die Buchpreisbindung fallen.
Ob dein Produkt darunterfällt, muss im Einzelfall beurteilt werden. Voraussetzung ist außerdem, dass das Produkt nicht überwiegend Werbezwecken dient und nicht den Hinweispflichten gemäß § 15 Abs. 1 bis 3 und 6 JuSchG unterliegt – also keine jugendgefährdenden Inhalte enthält.
Keine eigene Definition von „Buch“
Das Umsatzsteuergesetz kennt – wie das BuchPrG – keine genaue Definition von "Buch". Die Beurteilung orientiert sich auch hier an inhaltlichen und formalen Kriterien. Im Zweifel empfiehlt sich die Abstimmung mit dem Steuerberater oder eine Anfrage beim zuständigen Finanzamt.
3. Auswirkungen auf den Onlinehandel
Preisbindung und Verkaufsstrategien
Für Onlinehändler, die digitale Produkte verkaufen, die der Buchpreisbindung unterliegen, bedeutet das: Der einmal festgelegte Preis muss strikt eingehalten werden. Das betrifft nicht nur den eigenen Shop, sondern auch alle weiteren Verkaufsplattformen.
Das hat Auswirkungen auf die gesamte Preis- und Marketingstrategie:
- Preistransparenz: Der festgelegte Preis muss überall klar und deutlich angegeben werden. Ein abweichender Preis – egal ob höher oder niedriger – verstößt gegen die Preisbindung.
- Vermeidung von Rabatten und Boni: Aktionen wie „10 % auf alles“, Rabattcodes oder Gutscheinaktionen sind bei preisgebundenen Produkten unzulässig, es sei denn, sie fallen unter eine der eng geregelten gesetzlichen Ausnahmen (§ 7 BuchPrG).
- Kreatives Marketing statt Preisdruck: Wer preisgebundene Inhalte verkauft, sollte auf andere Maßnahmen setzen – etwa exklusive Inhalte, Community-Bindung oder Zusatzleistungen statt Rabatte.
- Verschenken ist erlaubt: Solange kein Verkauf erfolgt, darfst du ein Buch verschenken. Das kann beispielsweise im Rahmen von Gewinnspielen oder als Bonus bei einem anderen (nicht preisgebundenen) Kauf sinnvoll sein. § 3 BuchPrG stellt nur auf das Verkaufen von Büchern ab – das reine Überlassen ohne Gegenleistung fällt nicht darunter.
Rechtliche Konsequenzen bei Verstößen
Verstöße gegen die Buchpreisbindung sind kein Bagatelldelikt – sie können schnell teuer werden:
Abmahnungen: Berechtigt zur Abmahnung sind unter anderem Wettbewerber, Branchenverbände wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie von diesem beauftragte Preisbindungstreuhänder. Meist wird eine Abmahnung mit der Aufforderung verbunden, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Gerichtliche Schritte: Reagierst du nicht auf eine Abmahnung oder gibst keine Unterlassungserklärung ab, droht ein gerichtliches Verfahren – samt Anwalts- und Gerichtskosten.
Schadensersatz: Wenn durch die Preisunterschreitung ein finanzieller Schaden entsteht – etwa durch Umsatzeinbußen bei Mitbewerbern – kann zusätzlich Schadensersatz nach § 9 BuchPrG verlangt werden.
Bedeutung von ISBN und VLB
Die Vergabe einer ISBN (International Standard Book Number) ist rechtlich nicht verpflichtend, kann aber als starkes Indiz dafür gelten, dass dein Produkt als „Buch“ im Sinne des BuchPrG verstanden werden soll. Das Gleiche gilt für die Eintragung im Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB). Dort wird auch der vom Verlag (bzw. dir als Selbstverleger) festgelegte Preis dokumentiert.
Für Händler bedeutet das:
Wenn dein Produkt eine ISBN hat und im VLB gelistet ist, gehen Aufsichtsstellen oder Mitbewerber mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Buchpreisbindung gilt.
Die Einhaltung des festgelegten Preises wird über das VLB überprüft – nicht nur bei großen Anbietern, sondern zunehmend auch bei kleinen Shops und Einzelpersonen.
4. Fazit: Rechtlich sauber aufgestellt – so gelingt es
Ob Nähanleitung, Stickdatei oder E-Book – digitale Produkte richtig einzuordnen, ist nicht immer einfach. Denn Buchpreisbindung und Umsatzsteuer greifen jeweils unter eigenen Voraussetzungen, und oft hängt die rechtliche Bewertung vom Einzelfall ab.
Wichtige Grundsätze, die du kennen solltest:
- Wenn dein Produkt inhaltlich, formal und funktional einem klassischen Buch gleicht (z. B. umfangreiche Anleitung mit Paratexten und ISBN), kann die Buchpreisbindung greifen. Dann darfst du keine Rabatte geben – weder im eigenen Shop noch auf Plattformen wie Etsy oder Amazon.
- Auch bei Produkten, die nicht unter die Buchpreisbindung fallen, kann trotzdem der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % gelten – z. B. bei digitalen Malbüchern, Partituren oder einfachen Schnittmustern. Maßgeblich ist hier Anlage 2 UStG.
- Eine eindeutige gesetzliche Definition für „Buch“ oder „druckähnliches Erzeugnis“ gibt es nicht – deshalb solltest du im Zweifel steuerliche oder juristische Beratung einholen.
Unsere Empfehlung:
- Überlege dir schon bei der Konzeption deines digitalen Produkts, ob du es als „Buch“ mit Buchpreisbindung vertreiben möchtest – oder nicht. Davon hängt ab, wie du den Inhalt aufbereitest, wie du das Produkt benennst (z. B. „E-Book“ oder „Anleitung“) und ob du eine ISBN vergibst oder es im VLB listest – oder bewusst darauf verzichtest.
- Besprich mit deinem Steuerberater, welchen Umsatzsteuersatz du anwenden solltest – und kläre bei Bedarf mit dem Finanzamt, wie dein Produkt zu bewerten ist.
- Wenn du digitale Inhalte mit Buchcharakter vertreibst: PrĂĽfe, ob du zur Festlegung eines festen Ladenpreises verpflichtet bist.
- Wähle Produktnamen, Kategorien und Shop-Texte sorgfältig – irreführende Bezeichnungen wie „E-Book“ bei nicht preisgebundenen Dateien können zu Problemen führen.
Digitale Produkte rechtssicher verkaufen Wenn du digitale Inhalte verkaufst, reicht es nicht, nur Buchpreisbindung und Umsatzsteuer zu kennen. In unserem Artikel „Digitale Produkte rechtssicher verkaufen“ zeigen wir dir, worauf du außerdem achten musst – zum Beispiel bei AGB, Pflichtangaben, Widerrufsrecht und Datenschutz.